Mittwoch, 18. April 2018

Das Wartezimmer from Hell - Kirmes innen und außen!

Wenn man von doch recht starken Schmerzen geplagt wird und auch nicht gerade eine ruhige Nacht damit verbracht hat, wenn man sein Gesicht immer stärker anschwellen sieht, feste Nahrung zum Schreckgespenst wird und nicht nur deshalb irgendwie schlechte Laune hat, dann sehnt man sich nur noch danach, dass es endlich aufhört. Aufhört zu puckern und zu pochen, zu schmerzen und zu nerven und dass es einfach wieder so wird wie vorher.
Mit einem Gewissen, das noch schlechter ist als ein Liter Milch, der tagelang in der prallen Sonne stand, erinnere ich mich daran, dass ich im letzten Jahr einen Termin zur Entnahme des nun stark marodierenden Weisheitszahnes aus - ja, aus Feigheit, aus Angst eben - platzen ließ, mit einer eher fadenscheinigen Begründung. Damals war es auch nicht so schlimm gewesen und ich dachte, noch ein paar ruhige Jahre mit ihm gemeinsam verbringen zu können. Dass das blöde Ding so undankbar ist und mir heute die Hölle so heiss macht - wer konnte das denn ahnen? Ok, mein Zahnarzt vielleicht..
Egal. Ich bin im Hier und Jetzt und nachdem ich einen Parkplatz fand, den ich auch nach einer Tortur bestimmt wiederfinden würde, begab ich mich in die Notfallpraxis. Freundlich wurde ich begrüßt, eventuell ein wenig bedauert und zum Warten ins gleichnamige Zimmer geschickt. Drei Patienten, teils mit, teils ohne Begleitung harrten hier schon der Dinge und ich setzte mich brav auf ein Stühlchen, hoffend, dass das hier jetzt ratz-fatz ginge mit der ruhebringenden Erlösung. Denn Ruhe war das zweite, nach dem ich mich sehnte - einfach nur Ruhe haben und einigermaßen schmerzfrei sein. War das denn zuviel verlangt?

Ja, war es. Denn mit der Ruhe war es nicht weit her! Das wurde schlagartig klar, als ein Patient, der seine Kleinfamilie zur moralischen Unterstützung dabei hatte, das Zimmer Richtung Behandlungsraum verließ. Ein kleiner Junge mit Undercut-Frisur nebst seiner jugendlichen Mutter waren wohl Garanten dafür, dass jetzt gleich das Entertainment-Programm losgehen würde. Allerdings nicht das für die leidgeprüften Patienten, sondern eher das für den kleinen Jungen.. ach, ich nenne ihn jetzt einfach mal Max, der Einfachheit halber.
Während man selber als Kind in Wartezimmern immer dazu angehalten wurde, ruhig zu bleiben und anderen Menschen nicht auf den Keks zu gehen, und sich auch weitestgehend daran hielt! - scheint diese goldene Regel stark an Gültigkeit eingebüßt zu haben. Denn - ich ahnte es bereits im Vorfeld - Max hatte jetzt schon keinen Bock mehr, brav mit seinem mitgebrachten Tablet Counter Strike oder ähnlich Wertvolles für Kiddies um die vier Jahre zu zocken. Wenn ich nochmal zurückdenke, waren für Jungs in dem Alter immer Spielzeugautos, Bauklötze und Bilderbücher interessant, aber bloß keine Unordnung in die Spielecke bringen! Für uns Mädels gab es Teddys und Püppchen zum Spielen oder auch mal ein einfaches Puzzle und rosafarbene Bilderbücher ohne Actionhelden. Selten wurden diese Dinge allerdings exzessiv benutzt, denn sie sahen immer aus wie ladenneu und weilten geordnet in einer bunten Kiste, die auch als Notsitz diente, auf ihre Einsätze. Meist saßen wir Kinder doch still und fromm neben unseren Erziehungsberechtigten, denn wir sollten ja niemandem auf den Keks gehen...
Aber die Zeiten haben sich geändert. Das musste ich heute einmal mehr feststellen, als Klein-Max so langsam, aber sicher zu Hochform auflief. Jetzt schubste er die Spielzeugautos carambolageartig vom Kindertischchen und verlangte nach einem Eis. Draußen sei ja schließlich Kirmes, und er müsse hier drinnen darben und auf seinen mutmaßlicheen Erzeuger warten.
Kurzum: Mäxchen quengelte und fing derweil an, mit den Händen lautstark gegen die Regipswände zu klatschen, um seinen Bedürfnissen mehr Nachdruck zu verleihen.
Für eine weitere wartende, wahrscheinlich zahngepeinigte Dame und für mich, die gerade ihre eigene Kirmes im linken hinteren Unterkiefer beherbergte, ein Grund, genervte Blicke gen Himmel zu senden.
Die zahlreich ausgelegten Zeitschriften interessierten mich schon nicht mehr, denn ich konnte mich auf kein geschriebenes Wort mehr konzentrieren, Ein Wunder, dass ich die Autofahrt hierher schon schadlos überstanden hatte, denn meine Fahrkünste waren bereits nach 3 Minuten auf ein Mimimum beschränkt! Die Schmerztabletten, dich ich mir in der Nacht schon eingepfiffen hatte, taten ihr übriges, nur eins nicht mehr: Schmerzen lindern.
Die Mutter des Mäxchens, der mittlerweile dazu übergegangen war, selbige mit den heruntergefallenen Matchboxautos zu traktieren, machte indes einen eher ruhigen Eindruck. Sie schien derlei gewohnt zu sein und hatte bereits resigniert, denn sie studierte dabei scheinbar gelassen eine Ausgabe der "Landlust - das Magazin für Stil und Wohnkultur" aus dem ausliegenden Stapel. Stil und Wohnkultur ging diesem Wartezimmer derweil völlig ab.
Plötzlich öffnete sich die Türe der Hoffnung und die andere Dame wurde gerufen. Wie der geölte Blitz schoss sie der Sprechstundenhilfe hinterher, mich mit meinem Schicksal allein zurücklassend. Mäxchen konnte hingegen nicht anders, in die sich schließende Tür noch einen kleinen VW-Käfer zu werfen, traf allerdings nur die Glasscheibe. Nicht mal dieser Beinahe-Schaden brachte die Mutter zum Aufblicken und belustigt grinste ich in mich hinein und stellte mir vor, wie sehr sie sich wohl nach einem idyllischen Bauernhaus mit weißen Tischdecken, stilvoller Silberdeko und lindgrünen Vorhängen sehnen mochte. Ohne den zerstörerischen Sohnemann, womöglich.
Zwei Dinge würden mir das Leben nun spontan erleichtern: 1. Die Tür ginge auf und ich würde Mutter und Max nun meinerseits innerlich Adieu sagen dürfen oder 2. der Vater kehrte endlich aus der Kammer des Schreckens zurück, nahm Frau und Kind und alle zusammen stürzten sich ins bunte Treiben der Fahrgeschäfte und Losbuden und zu allererst zum Eismann, um Mäxens Hunger auf leere Kohlenhydrate zu stillen.
Eine Uhr hatte ich gar nicht dabei, aber es muss nun schon eine Stunde vergangen sein, seit ich mich still und introvertiert auf mein Stühlchen gesetzt hatte. Aus Gründen gab es auch keine Zeitanzeige im Warteraum. Hm.
Da! Die Tür öffnete sich. Möglichkeit 1. oder 2.?
Irrtum. Aber wenn ihr wissen wollt, welche Option sich nun auftat, dann lest euch auf jeden Fall die nächste Episode des Wartezimmers from Hell durch! ;-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Empfohlener Beitrag

Eine weihnachtliche Soap-Opera aus irgendeinem Mehrzweckstall im Münsterland! Die HauptdarstellerInnen: Mäxchen Romi aka "...