Montag, 29. September 2014

Der Reitlehrer oder Die Eierlegende Wollmilchsau

Mal Hand aufs Herz: Wie oft habt ihr schon über euren Reitlehrer oder eure Reitlehrerin gemeckert? Jeder hat das schon mindestens einmal getan. Er (ich bleibe der Einfachheit halber mal bei der männlichen Variante) sei ein Idiot, hat keine Ahnung und schon gar nicht von meinem Pferd und außerdem kann der MIR ja sowieso nichts beibringen. Seine Stunden sind reine Zeit- und Geldverschwendung und das Pferd geht seitdem viel schlechter.
Hm. Bei einigen Exemplaren mag das durchaus zutreffen, aber sollten wir nicht hinterfragen, ob es nicht ein ganz klitzekleines Bißchen an uns selber liegt, wenn man im Unterricht nicht zurechtkommt?
Ich kenne beide Seiten der Medaille. Einmal als Reiterin, der das Wohl ihres Pferdes absolut am Herzen liegt (durchaus mehr als das eigene) und einmal als Ausbilderin, die wortreich versucht, ihren SchülerInnen das Geschehen im Dressurviereck etwas näher zu bringen.
Und ich komme zu dem Schluss: Beide haben es schwer. Dem Reitschüler wird jemand vor die Nase gesetzt, dessen Wort ab sofort Gesetz in der Bahn ist. Dem Reitlehrer werden Schüler präsentiert, die vieles besser wissen, mit der Methode nicht klarkommen oder/und einfach keinen Bock haben. Oder dem Vorgänger nachtrauern und deshalb jeden Neuling per se skeptisch gegenüberstehen. Oder einfach seine Sprache nicht verstehen -Stichwort Dialekte, Nuscheln oder einfach nur sehr leise sprechen.
Ja, und dann? Was soll er alles können, der perfekte Reitlehrer?

  • Erstmal muss er in der Lage sein, hippologische und reiterliche Qualität auf den ersten Blick zu erkennen und dementsprechend ehrführchtig auf den Schüler einwirken. Der Schüler ist König und das Pferd ist sein majestätisches Ross. Und danach kommt erstmal lange nichts.
  • Er muss jederzeit körperlich in der Lage sein, sein Können zu demonstrieren, egal ob auf dem majestätischen Ross, seinem eigenen Pferd oder auf einem Schulpferd.
  • Er muss idealerweise hoch entwickelte psychologische Fähigkeiten besitzen und die arme gestresste Hausfrau und Mutti auf dem Donnerhall-Nachkommen, der komischerweise nie über A-Niveau hinausgekommen ist (liegt aber nur am aktuellen Reitlehrer, niemals an der Reiterin!) genauso wohltuend therapieren wie den gutverdienenden Managertypen auf dem edlen Halbblüter, der am liebsten durchs Gelände brettert und dabei eine Urschreimethode zur Stressbewältigung ausprobiert, in der Reitstunde aber nicht viel mitbekommt, weil ihm sein Smartphone per Freisprechgerät einfach nicht in Ruhe lässt und er eigentlich schon wieder im Büro sein müsste. 
  • Er muss entstehende oder bestehende Erkrankungen am majestätischen Ross sofort und mit einem Blick erkennen, diagnostizieren und am besten auch behandeln können. Die Besitzerin des Pferdes muss ebenso professionell betreut, beruhigt und ggf. getröstet werden.
  • Er muss auf Zickenkriege und/oder Eifersuchtsszenen jederzeit deeskalierend einwirken bzw. solche bereits im Keim ersticken.
  • Er muss den Mütter der meist pubertierenden Reitschülerinnen stets hilfreich und zuvorkommend begegnen und sollte es niemals wagen, in deren Anwesenheit ihren Töchtern eine gewisse Talentfreiheit und/oder gewisse figürliche Defizite zu bescheinigen. Niemals. Wirklich niemals. 
  • Er muss dem Stallpersonal eine Leitfigur sein, besser noch eine hippologische Lichtgestalt und sollte sich nicht scheuen, selbige bei Fehlern vor der gesamten Einstellerschaft zur Schnecke zu machen. Das kommt beim Kunden gut an, er fühlt sich dann erhabener.
  • Reiterlich muss er selbst auf einem Turnier für den Verein oder Stall, den er leitet, glänzen und nachher am Bierzelt auch eine gute Figur machen. Das kommt beim Vorstand gut an.
  • etc, etc, etc, etc.
Man sieht, die Person des Reitlehrers ist eine eierlegende Wollmilchsau, die alles können und auf alles eine logische Antwort haben muss. Nun geht der Pferdewirt Schwerpunkt Reiten mit einem Durchschnittsgehalt von 1600,- € brutto (aktuell ergoogelt, Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel) nach Hause,das ist zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel. Grundlage hierfür ist übrigens tariflich eine 40-Stunden-Woche, und wir alle sollten ahnen, dass bei DEM Anforderungsprofil dieses bei weitem nicht zutrifft!
 Das sollte man auch mal bedenken, wenn man seine/n Reitlehrer/in mal wieder als eine/n ahnungslose/n Vollidioten/in bezeichnet. Obwohl, wenn man bedenkt, was man dafür für eine harte Ausbildung hingelegt hat und zu dem Tarif dann seine Brötchen verdient, der ist entweder ein hoffnungsloser, aber idealistischer und wirklich pferdeliebender Traumtänzer oder eben ein - Vollidiot, nach heutigen Maßstäben gemessen. ;-)
Anmerkung: Dies soll in keiner Weise despektierlich erscheinen. Die betroffenen Personen wissen schon, wie das gemeint ist.  Sollte das nicht alles in allem ein Anreiz sein, seinem eigenen Reitlehrer ein wenig mehr Respekt entgegenzubringen? Ich denke schon. :-)



Wer immer euch heute gute Tipps gegeben hat, ich hoffe, ihr habt ihn oder sie nicht angemotzt. 

Liebe Grüße (auch an alle KollegInnen)
vom Copinchen!

PS.: Hier noch ein paar Reitlehrersprüche, die ihr möglicherweise schon mal gehört habt:

 Das ist kein Schritt, das ist ein Schlich.

Für deine Hände brauchst du einen Waffenschein!

 Guck nicht runter - das Portemonnaie im Sand gehört sowieso dem Reitlehrer.

Von wegen "gemeinsamer Schwerpunkt" - dein Pferd würde seinen Schwerpunkt am liebsten nach draußen verlagern!

 So wird das nix, du reitest jeden Tag ein bisschen schlechter aber heute bist du geritten wie in einer Woche!

 RL: Das sieht unbequem aus!
Schüler: Wieso?
RL: Na dein Pferd schläft ohne Kissen!

 Hör auf zu schnalzen, wir sind hier nicht beim Schweine füttern!

 Die Reithalle ist bezahlt, du kannst die Ecken ruhig ausreiten!

 Schau nicht dauernd nach unten, ich sag dir schon, wenn dein Pferd nicht mehr da ist.

... und mein Lieblingsspruch: "Merket euch auf allen Wegen, reiten lernt man nur durch fegen!" :-)

Wer noch einen hat, kann ihn gerne als Kommentar unten anhängen! 

Donnerstag, 25. September 2014

Die kleinen Strolche!

 Wenn von kleinen Strolchen die Rede ist, denken viele Menschen an diese illustre Gruppe (ok, die älteren werden sich gewiss erinnnern):


Viele Mitglieder meines Reitvereins haben dabei aber eher diesen Anblick vor dem geistigen Auge (Foto ist natürlich gemopst)!


Der Grund für diese verschobene Wahrnehmung ist die Ponyabteilung, die regelmäßig für Chaos und natürlich auch Lacher sorgte.
Es gab für sehr junge ReiterInnen nämlich sechs Shettys und vier Reitponys im Schulpferdestall. buchstäblich in allen Größen und Farben. Das kleinste Shetty, Harry, wurde "Handtaschenpferd" genannt, war weit unter einem Meter klein und wenn Harry galoppierte, konnte man als Jugendlicher noch neben ihm her gehen statt zu laufen. Harry war wirklich entzückend!
Wegen seiner geringen Größe war er natürlich der Oberausbrecher, denn er passte genau unter dem Kunststoffzaun des Turnierrasenplatzes durch. Er schaffte es ausserdem, das Schwingtor auszuhebeln und die anderen zu einem gepflegten Massenausbruch anzustiften.
Die anderen, das waren Hänsel und Gretel: 2 Rappschecken ,Vollgeschwister und wirklich brave Abkömmlinge ihrer Rasse, Lieblinge der Kinder;  Henry, der Dicke, der ungewöhnlich gross, ungewöhnlich faul und ungewöhlich frech war, dafür aber bildhübsch mit seinem kastanienbraunen Fell und dem weissen Stern auf der Stirn, Prinz, der dagegen immer ein wenig ausschaute wie ein Biafra-Kind, als Shetty-Isi-Mix hatte er von jeder Rasse die nicht so tollen Exterieureigenschaften abbekommen, war also klein, verbaut mit dünnem Hals und Riesenkopf und zu allem Übel auch noch ein Sommerekzembesitzer. Aber er war unglaublich lieb und ging für ein Stück Schokolade sogar durch einen brennenden Ring.;-)
Dann hatten wir noch Alf und Pino in der Shettysammlung, zwei Füchse und Kumpel, aber auch wieder total unterschiedlich im Wesen. Alf, der nach seinem Farben nach dem Außerirdischen von Melmac getauft wurde und Pino, dessen röteres Rot richtigerweise auf ein gewisses Temperament hinwies. Dann gab es noch den kleinen dunkelbraunen Micki, der Henrys größter Fan war und ausgerechnet den Garfield unter den Ponys als Idol ausgewählt hatte. Durch sein eigenes freundliches Wesen waren seine Tricks aber noch überschaubar und zu tolerieren. Ein echter kleiner Schatz, der immer ein wenig wie ein Baby in die Welt blickte.
Diese Shettys wurden unterstützt von den größeren Ponys Dolly, einer schwarzen Mixed-Stute, die recht angenehm im Wesen war, Lizzy, eine wahre Schönheit als Rappstute mit Blesse, vier weißen Beinen und eisblauen Augen, eine kapriziöse Ponydame mit viel Temperament und Eigenheiten! Und der größte im Bunde hieß Charly, ein Tigerschecke im Appaloosa-Look, der immer etwas ängstlich in die Welt blickte und sogar Beschützerinstinkte bei den Müttern der Ponykinder weckte -O-Ton einer solchen Mutter: Ich habe Möhren für Charly mitgebracht, der sieht immer so ein bisschen blass aus. Da er mit seinem schwarzen Tupfen wie der kleine Bruder von Pippi Langstrumpfs Kleinem Onkel ausschaute, war natürlich auch er absolut beliebt bei den Kindern und ganz besonders bei den wenigen Jungen, die sich so einen Charly auch gerne mal für den Schulhof ausleihen wollten.
Insgesamt also eine illustre Gruppe, und wenn ihr jetzt sagt :"Hey, da fehlt doch eins!" dann habe ich wohl den kleinen Daffy mitgezählt, der als Überraschung in der Stute Dolly versteckt war. ;-)  Dazu aber ein anderes Mal mehr.
Mit dieser bunten Mischung aus Gelassenheit, Liebenswürdigkeit, Eigensinn, Temperament und Clownerie hatte der Verein eine wahre Goldgrube. Die Ponystunden liefen wie's Brezelbacken. Es gab eine permanente Warteliste von bis zu 30 Kindern und die Unterrichtseinheiten waren voll ausgelastet. Sicher, es gab auch haarige Momente, wo alle Ponys mal ihre albernen 5 Minuten bekamen (gern im Winter) und die Kinder wie Fallobst aus den Sätteln hagelten. Aber nur ganz selten passierte hier etwas ernsthaftes und man weiss ja, wie Unschuldsminen hinter dichten Schöpfen aus Knopfaugen aussehen, so dass die Ponys manchmal mehr Trost erfuhren als die kleinen ReiterInnen. Auch wenn man sie als Übungsleiter manchmal alle zusammen auf den Mond geschossen hätte, konnte man ihnen auch nicht länger als 5 Minuten böse sein. ;-)
Natürlich spielten die kleinen Strolche auch einiges an Streichen, von denen ich hier auch berichten möchte. Auch wenn die meisten von ihnen wohl nicht mehr unter uns weilen, haben auch sie den Status "Unvergessen" absolut verdient.:-)

Als Tagestipp heute mal den neuesten Blogeintrag von Nel Blue lesen, der mir unsere Chaostruppe auf angenehme Weise ins Gedächtnis gerufen hat!

Liebe Immenhof-Grüße heute von
Copine

Montag, 22. September 2014

Schulpferde: Ein Dandy mit flinken Zähnen

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob Dandy überhaupt ein Pferd war.
Ich glaube eher, er war irgendein übriggebliebenes knallhartes Urviech, das auf mysteriöse Weise im Körper eines Equiden wiedergeboren wurde. Vielleicht ein langhalsiger Brontosaurus mit dem Gebiss vom T-Rex oder so.
Es gab unter den Schulpferdereitern seinerzeit niemanden, der nicht mindestens einmal von ihm gebissen wurde. Bevorzugt beim Putzen in den Arm oder in die Brust (jahaa, er hatte wohl auch eine Sammlung von zerbissenen BHs irgendwo in seiner Boxenwand versteckt, der Schelm) oder beim Aufsitzen in die linke Hüfte.
Wer Dandy putzen musste, war also eine arme Sau. Erschwerend kam dazu, dass der Wallach ein Schimmel war, der sich bevorzugt zum Schlafen in seine Äppel legte. Gut, das tun andere Pferde wohl auch, aber bei einem Schimmel sieht man es auch. Besonders seine sehr kitzlige Stelle unter dem Bauch färbte er regelmäßig in eine schmutziggelbbräunliche Nuance ein. Der strenge Reitlehrer bestand allerdings auf saubere Pferde in seinem Unterricht und so wanderte u.a.literweise Schimmelreinigungsspray (also das für weisse Pferde), Backpulver, Kohlebrocken, Gardinenweiss und ähnliches in seinen Putzkorb. Je schneller Dandy sauber war, desto weniger blaue Flecke gab es. Außerdem - die Insider wussten es - empfohl es sich, den Wallach rechts und links in der Stallgasse anzubinden. Aber ach, neben seinem schnellen Biss verfügte Dandy auch noch über ein ungemein bewegliches Hinterbein, so dass er es auch schaffte, seinem "Peiniger" die Bürste aus der Hand zu treten, wenn man zu nahe an seinem Bauchnabel putzte. Der machte keine halben Sachen.
Die zweite Gefahrenquelle war das Satteln inkl. angurten. Da flogen die Ohren nach hinten und er ließ auch oft probeweise die Zahnreihen aufeinanderknallen, so als Abschreckung. Wer dann noch cool weitersattelte, den versuchte er mit dem Vorderhuf auf den großen Zeh zu treten. Absolute Vorsicht war angesagt, denn seine Mißhandlungsversuche waren schmerzhaft und hinterliessen zuverlässig blaue Flecke!
Wer nun immer noch unversehrt mit Dandy in die Halle stiefelte und sich zum Aufsitzen auf die Mittellinie stellte, der befand sich in Phase 3: Schnellstmöglich aufsitzen und dabei den rechten Zügel so kurz wie möglich packen und bloss nicht loslassen. Sonst kam dieses unfassbar schnelle Maul und packte einen in die linke Pobacke. Und er meinte es wirklich ernst! Ohne Vorwarnung. Wer hier ausweichen konnte und sich immer noch am Boden befand, den versuchte er wieder mit dem linken Vorderbein zu erwischen.
Bevor jetzt alle denken "meine Güte, dieser Dandy war ja wirklich ein Biest, was hat denn der im Schulbetrieb zu suchen!!" muss ich jetzt ganz schnell schreiben, dass man, wenn man es erst einmal in seinen Sattel geschafft hatte, ein absolut braves und einigermaßen rittiges Pferd unter dem Hintern hatte. Den konnte nichts erschüttern, weder ein Massenbuckelnunddurchgehen der anderen Pferde noch irgendwelche Hallenmonster in den Ecken oder außer Kontrolle geratene Longenpferde. Der Lohn für die Mühen und den Angstschweiß beim Fertigmachen war ein cooles Pferd, eine Lebensversicherung auf vier Hufen.
Ich weiss nicht, wieviele Longenstunden Dandy auf dem Tacho hatte, wieviele Dressurstunden, wieviele Springstunden. Es müssen schon einige Tausend gewesen sein, denn Dandy kam 1978 als 3jähriger Rappschimmel aus Polen zu uns und verbrachte sein ganzes Leben als Schulpferd, ausgebildet von den Reitlehrern und fortgeschrittenen Schulpferdereitern im Verein. Er beherrschte Lektionen bis zur Klasse M inkl. Traversalen und fliegenden Galoppwechseln, sprang an Tagen, wo er gut gelaunt war, einen L-Parcours durch und war im Gelände zwar heiss wie Frittenfett, aber regulierbar. Achso, an Tagen, wo er weniger gut gelaunt war, machte er übrigens nicht einen einzigen Sprung in der Springstunde.
Dandy war ein überaus gesundes Pferd mit klaren Beinen und kräftigen Lungen. Das einzige Problem seinerseits war, dass er koppte und dadurch seine Vorderzähne mit den Jahren immer kürzer wurden. Seiner Beisswut und der Trefferquote tat das allerdings keinen Abbruch.
Nun, Dandy wurde schneeweisse 27 Jahre alt. Bis zu seinem 24. Lebensjahr ging er bis zu 3 Stunden am Tag, danach in Altersteilzeit nur noch eine Stunde täglich, dann bekam er einen Weideplatz mit einer Pflege- und Reitbeteiligung an der Seite und was soll ich sagen:  Auf seiner Rentnerweide wurde er immer weniger, kam mit der neuen Situation nicht wirklich zurecht und musste nach einem Vierteljahr traurigerweise eingeschläfert werden. Ein jüngeres Pferd hatte beim Fressplatz nach ihm getreten und sein Vorderbein war gebrochen. Ich persönlich glaube, sein Herz war auch gebrochen. Alte Bäume verpflanzt man nicht, alte Schulpferde auch nicht, die ja gar nicht an diese Robusthaltung gewöhnt sind. Ich trauerte sehr um Dandy, hatte er doch einen großen Teil meiner Reiterjugend begleitet und er war außerdem ein guter Freund von "meiner" Laetizia und auch meiner Copine (dieses Luder hat den alten Gentleman sogar einmal dazu gebracht, sie zu "decken!) ...
 Ein Andenken habe ich allerdings noch an den alten Kämpfer: Er biss mir in jungen Jahren einmal so feste in den linken Arm, dass ich die Abdrücke von Ober- und Unterkiefer als blaue Flecke für sehr lange Zeit als "Tattoo" spazierentragen konnte. Er hob mich quasi im Vorbeihuschenwollen hoch und setzte mich in die Ecke. Da lernte ich sehr eindrucksvoll, dass man sich niemals ohne Ansprechen einem Pferd nähern sollte. Das daraus entstandene Hämatom musste sogar punktiert werden und ich habe bis heute eine komische Delle am Arm davon.
Trotzdem habe ich ihn sehr gemocht, weil man sich als Ausbilder sehr gut auf ihn verlassen konnte und er einfach einen ungebrochenen Charakter besass. Und wenn man seine Attacken einmal kannte, konnte man auch flink und behende ausweichen und irgendwann liess er es dann auch sein. Aber man musste immer auf der Hut sein, er schulte die Vorsicht im Umgang mit Pferden (oder doch mutierten Sauriern) und jeden Handgriff mit Bedacht und Übersicht auszuführen. Seine "Mafiapflegerin" liebte er übrigens heiss und innig und hat ihr niemals ein Haar gekrümmt. Dort wieherte er, besonders wenn sie ihm eines ihrer Schulbrote mit Leberwurst drauf zusteckte, die sie für ihn aufgespart hatte. Das war übrigens die einzige Gelegenheit, ihn mal wiehern und brummeln zu hören. Ja, es war wirklich Leberwurst und ja, er stand total darauf. Eine Kolik hatte er übrigens nie!
Eine Anekdote muss ich noch erzählen und die sagt auch einiges über die Härte dieses besonderen Pferdes aus.
Es war einer jener Winter, wo Frost und Tauwetter sich abwechselten und dadurch die Leitungen der Selbsttränken extrem strapaziert wurden. Ich glaube, es war sogar Silvester, denn ich kam morgens um vier von einer Fete heim und sah, wie das Wasser unter der Schiebetüre des Schulpferdestalles hervorströmte. Ich bin also im Partykleid mit hohen Hacken in den Schacht geklettert und habe erstmal den Haupthahn abgedreht. Da es in dieser Nacht immer mal wieder aufklarte, fiel die Temperatur schnell wieder unter Null Grad und es hatte sich schon eine Eisfläche auf der Stallgasse gebildet. Als ich in Dandys Box schaute, war es seine Tränke, deren Ventil den Geist aufgegeben hatte und seine Box glich einem Tümpel, in dem Heureste, Fragmente von Sägespänen und Pferdeäppel herumschwammen. Dandy selbst war wohl die ganze Zeit in seiner Box im Kreis herumgelaufen, damit es nicht zu Eis gefror!  Er wirkte sehr erschöpft und wurde erst einmal in eine trockene warme Box verfrachtet. Dort schlief er den ganzen folgenden Tag, wir ließen ihn gewähren und rieben nur seine Beine mit Franzbranntwein ein, damit sie nicht anschwellen nach dieser Anstrengung. Es hat geholfen, 2 Tage später war er wieder fit wie ein Turnschuh und nichtmal die kleinste Galle war an seinen Sehnen erschienen.
Dandy, wo immer du jetzt steckst, du bist ebenfalls unvergessen. Ein tolles Pferd (?) das wirklich ein Denkmal verdient hätte.

Wer immer hier einen Schimmel besitzt oder pflegt, der sich hin und wieder mal im Mist wälzt, ein "loses Mundwerk" hat und Leberwurstbrote liebt, bitte mal "Hier" rufen! :-)

Liebe Grüße von
Copine (mit Dandy im Herzen)


Sonntag, 21. September 2014

Jeannie - die Schöne & das Biest!

Manchmal glaube ich wirklich, dass meine Katze verrückt ist. Oder ist es normal, dass die kleinen Samtpfoten manchmal derart durchdrehen, dass man denkt, man hätte ein Alien der dritten Art aus dem Tierheim adoptiert?
Dieses zarte Wesen
mutiert von Zeit zu Zeit zu einer echten Wildkatze, so richtig mit Puschelschwanz und Bürste auf dem Rücken. Sie schaut dann aus wie das Tier aus der Muppet-Show in Schwarz und macht zur akustischen Untermalung auch noch Geräusche, die man eher einem Riesenpuma zutraut, dem jemand versehentlich auf das Ende der Wirbelsäule getreten hat: Mmmrrruuuaaaaaaaarrrrr!

Wann diese Metamorphose eintritt: Es kann jederzeit passieren. Erst mimt sie das harmlos wirkende schlafende Kätzchen
um eine Minute später zu einem wirklich furchtbar gefährlich wirkenden Untier zu mutieren:

WARNUNG: Man beachte hier den tödlichen  BLICK  aus giftgrünen Leuchte-Augen. Wer von diesem  BLICK  getroffen wird, dem ist beinahe nicht mehr zu helfen. Ausser, man schaut  sich schnell im Internet niedliche Katzenbabys an. Dann besteht noch eine kleine Chance, den Fluch abzuwenden. Zur Prophylaxe einmal bitte diese hier betrachten:

Puh, gerade nochmal gut gegangen. :-)

Es ist beinahe ein Wunder, dass mich noch nicht der Schlag getroffen hat, wenn Jeannie von Null auf Hundert mit durchdrehenden Krallenpfoten auf Laminat lossprintet, im Flur plötzlich kehrtmacht und mit 2 Sätzen durch das ganze Wohnzimmer auf die Fensterbank jumpt (mit perfekter Bascule übrigens!) und kurz vor Ende ihrer Aussichtsplattform zum Stehen kommt. Dann dreht sie um, rast mit gesteigerter Geschwindigkeit noch einmal durch 3 Zimmer und macht diesen Sliding Stop ein weiteres Mal, noch knapper am Abgrund von 3,50 m. Und das macht sie dann mindestens noch 2x, diese letzten beiden Male dann mit einem Begleitton, der die Apokalypse einleiten könnte oder wenigstens den Untergang des Abendlandes.
So richtig doll wird es dann, wenn sie eines ihrer Spielzeuge unter der Badezimmermatte versteckt hat und belauert. Das Knurren der biblischen Höllenhunde ist ein zartes Seufzen gegen die Töne, die dann aus dem Badezimmer hervordringen. Ist das noch normal?
So richtig laut wird es allerdings, wenn sie auf Toilette muss.
Ich habe eine Katze, die ihre Klogänge mit lautem Lamento (so ungefähr: MIAUUUUUUUUU!! MIAUUUUUU!!!) ankündigt. Warum macht die das? Ist das irgendwie sinnvoll oder leidet sie tatsächlich unter einem ADS-Syndrom? Ich weiss es nicht. Man könnte glauben, sie hätte sich ein Bein gebrochen oder wäre sonstwie indisponiert, geht besorgt nach ihr schauen - und dann hockt sie auf dem Katzenklo und sicherlich kennt ihr auch diesen Blick, den nur Katzen blicken können, wenn man sie auf dem Klo betrachtet: Er ist nicht weniger vernichtend als der  BLICK  von weiter oben. Ok, das verstehe ich ja auch. Ich möchte auch nicht auf der Toilette hockend betrachtet werden, aber wenn ich einmal im Leben so einen Blick zustande kriege, werde ich sofort eine Karriere in Hollywood anschieben und richtig viel Kohle scheffeln. Hurraa!
Und was mache ich dann mit dem ganzen Geld? Wahrscheinlich weitere warme weiche liebe Kätzchen wie Jeannie aus dem Tierheim holen. Und dafür sorgen, dass die ganze feline Bande, die draußen leben muss, wenigstens kastriert wird. ;-)

Ach, und: Was immer euch heute animalisch anknurrt, einfach fünf Minuten warten, bis es sich beruhigt hat. ;-)
Samtpfotengrüße von
Copine und Jeannie "the beast"! :-)


Freitag, 19. September 2014

Laetizia IV - Das Ende

Der Titel deutet es schon an.
Ich würde ja gerne etwas von einem Happy End schreiben und dass Laetizia tolle Privatbesitzer gefunden hat, die ihr ein prima Luxusleben geboten haben oder oder oder...
aber das wäre nicht die Wahrheit gewesen.
Wer das ihm anvertraute Wesen wirklich liebt, der geht auch diesen letzten Weg mit ihm, ohne Wenn und Aber.
Es waren ja insgesamt vier Jahre, die ich mich beinahe täglich um die Stute gekümmert hatte. Sie wurde eines der zuverlässigsten und liebenswürdigsten Pferde im ganzen Stall und trug geduldig etliche Reitschüler durch Dressur-, Spring- und Geländereitstunden. Sie gab guten Reitern ein tolles Gefühl und mittelguten immerhin eine Ahnung von dem, was sie noch erlernen könnten.Sie warf niemanden mehr ab, weil sie wirklich verstanden hatte, was ihre Aufgabe war. Sie war regelmäßig mit ängstlichen ReiterInnen im Gelände, trug unter anderem auch mich durch die Reitabzeichen-Springprüfung, sah toll aus, bemuskelt und rund und oftmals hörte ich den Vorstand seufzen "ach, hätten wir doch noch zwei oder drei Laetizias als Schulpferd". Sie durfte mit den "Kollegen" auf ein Stück Wiese, welches wir als Schulpferdemafia dem Vorstand abgetrotzt hatten und exclusiv für unsere Lieblinge genutzt wurde. Die Privaten hatten dort nichts zu suchen. HAH! Dafür hatten wir auch tagelang Giftpflanzen ausgerupft, Zäune gezogen und Löcher zugeschüppt.
Leider litt Laetizia aber immer mal wieder unter einer sogenannten Verstopfungskolik, die der Stalltierarzt aber immer medikamentös in den Griff bekam. Selbstverständlich wurden alle Vereinspferde regelmäßig geimpft und entwurmt, daran lag es nicht. An zuwenig Bewegung allerdings auch nicht. Pellets bekam sie nicht. Hm - Vielleicht war sie ZU beliebt geworden.
Umso größer noch der Schreck, als ich eines Nachmittags in die Halle kam und meine Laetizia gerade mal nach 10 Minuten Reitstunde aus der Bahn geführt wurde.
"Hat sie wieder Kolik?!" fragte ich den Reitlehrer.
"Nein, sie lahmt ein bisschen. Vorsichtshalber soll sie in den Stall. Kannst mal vorn links gucken und kühlen."
Ich nahm sie in Empfang. Das Bein war gegen meine Erwartung allerdings nicht dick angeschwollen und sie humpelte auch nicht wie bei einem Hufgeschwür, nein, die Lahmheit war minimal und es war nichts an dem Bein zu finden, was auf eine Verletzung hinweisen würde. Sehnen und Gelenke waren glasklar und nicht erwärmt.
Vielleicht ein Hufgeschwür, was noch im Entstehen war. Morgen würde sie zum Gotterbarmen hinken, der Tierarzt würde mit der Untersuchungszange das Ding finden, aufschneiden und dann würde es abheilen. Dann würde es ihr wieder gut gehen.
Ein dumpfes Gefühl sagte mir aber, dass das nicht so sein würde.
Ich nahm sie mit in den Stall, umwickelte Bein und Huf mit Verbandswatte und Bandage und schüttete kaltes Wasser hinein. Alle halbe Stunde neu.
Am nächsten Tag nach der Schule lief ich direkt zum Verein und zu Laetizia. Traurig stand sie in ihrer Box, während die anderen Pferde gesattelt wurden. Der Reitlehrer meinte, er hätte sie draußen vorgetrabt, es wäre genau wie gestern. Tierarzt war schon bestellt.
Dieser tastete alles gründlich ab, holte auch die Hufzange und kniff den Zehenrand damit ab, fand aber nichts. Sie lahmte geringgradig, aber sichtbar. Er tippte auf eine Entzündung und spritzte ihr einen Entzündungshemmer: "Wenn es nicht besser wird, müssen wir mal röntgen" kündigte er an.
Es wurde nicht besser. Die Lahmheit blieb konstant gering. Ich wünschte mir schon sowas wie ein dickes Bein, dass man ordentlich behandeln könne, herbei. War aber nicht.
Zwei Wochen später lief sie wieder klar. Ich hatte sie im Schritt geführt und an der Hand grasen lassen. Der Tierarzt liess sie vortraben und meinte, vorsichtig wieder anfangen mit ihr.
Erfreut holte ich Sattel und Trense und durfte 20 Minuten Schritt reiten und eine Runde traben. Sie lief klar und ich freute mich. Am nächsten Tag eine halbe Stunde und nach drei Tagen auch wieder über 45 Minuten. Alles ok.
Sie ging die Woche drauf wieder einmal täglich in der Dressur-Stunde mit und alles schien easy. Springen sollte sie aber erstmal nicht, denn vielleicht hatte sie sich dabei "vertreten".
Genau drei Tage währte die Freude, da "tickerte" sie wieder. Oh man. Dasselbe Bein, nix dick, nix warm, leichte Lahmheit, aber deutlich sichtbar.
Diesmal rückte der Tierarzt mit seinem erklärten Heiligtum, dem Röntgengerät an, verteilte Bleischürzen und Anweisungen, wie der Huf und das Bein gehalten werden sollten, nachdem er das Hufeisen entfernt hatte. Laetizia liess das alles brav mit sich machen, ich hielt sie am Kopf und gab Leckerlies. Die Bilder wurden gefertigt und auch direkt entwickelt und dann machten wir uns ans Betrachten der Aufnahmen. Und die verrieten nichts Gutes.
Laetizia litt unter "Hufrolle", ein Synomym für eine unheilbare Veränderung von Strahlbein und Hufgelenk, die langsam aber sicher den Fesselträger und damit auch die Tiefe Beugesehne zerstören würde.
Mir liefen die Tränen beim Anblick des Röntgenbildes. Und damit war Laetizia als Schulpferd nicht mehr einsetzbar. Sie hatte ständige Schmerzen und das wohl schon länger, hatte es nur nicht gezeigt, dafür war ihr Gang immer weniger raumgreifend geworden und hin und wieder war sie auch schon gestolpert. Die tapfere Stute.
Bestürzung im gesamten Schulpferdestall machte sich breit. Klar, man konnte sie noch "fitspritzen", mit Spezialbeschlägen versorgen, auf eine Weide stellen. Aber es war das Jahr 1988 und die Behandlungsmethoden noch begrenzter als heute. Unheilbar, hatte der Tierarzt gesagt. Nicht mehr schmerzfrei ohne Equipalazone, was auf  Dauer Magen und Leber angreift. Für den Schulbetrieb nicht mehr einsetzbar.
Um es kurz zu machen: Wir - und damit meine ich alle, die mit ihr zu tun hatten: Reitlehrer, Schüler, Vorstandsmitglieder, Schulpferdepflegermafia, wir alle verwöhnten Laetizia noch einen Sommer lang nach Strich und Faden, brachten sie auf die Weide, sie bekam noch einen Spezialbeschlag und Medikamente, damit sie diesen einen Sommer noch schmerzfrei mit ihren Lieblingskameraden auf der Weide genießen durfte. Das war man ihr einfach schuldig nach den treuen Diensten über fast fünf Jahre, die sie geleistet hatte nach einer schwierigen Anfangsphase. Sie wurde natürlich nicht mehr geritten, ihr Sattel wurde eingemottet und weggeschlossen. Sie durfte noch mal einfach nur Pferd sein.
Dann lahmte sie auch mit der Höchstdosis Equi auf der Koppel, es war September und der Herbst klopfte an die Tür.
Laetitia wurde am Hof eingeschläfert, das erste Schulpferd, das nicht den schrecklichen Transport zum Metzger antreten musste. Ich hielt ihren Kopf im Arm, als der Tierarzt, der sich verdächtig oft die Nase schneuzen musste, ihr die Spritze injizierte.
Zwei Minuten später war alles vorbei. Der Tierarzt rief noch "Weg vom Pferd", ich sprang gerade noch zur Seite und dann  fiel sie um. Seufzte noch einmal, hauchte ihr Leben aus. Ich kniete neben ihr und küsste sie noch einmal auf die Nüstern, wie ich es so oft getan habe.
Der Tierarzt horchte noch einmal ihr Herz ab, schloss ihre Augen und nahm mich in den Arm, nun musste ich auch heulen wie ein Schlosshund. Meine Laetizia gab es nicht mehr. Ich konnte mich gar nicht mehr bewegen und zitterte doch am ganzen Körper. Unfassbar, sie war tot und würde mir nicht mehr fröhlich zubrummeln, wenn ich in den Stall kam. Sie war über die Brücke gegangen. Ich war tagelang, wochenlang wie paralysiert und nichts konnte mich aufheitern,so sehr man es auch versuchte.
Nie wieder habe ich wieder ein Pferd getroffen, was so liebevoll, sanftmütig und duldsam war wie meine Laetizia.

Heute erinnere ich mich noch oft und gern an sie, die Stute, deren Name "Die Fröhlichkeit" bedeutete. Und bin froh, sie betreut haben zu dürfen.

Was immer ihr jemals Liebenswertes habt gehen lassen müssen, behaltet stets die Erinnerung daran und erzählt davon. Dann wird es unsterblich sein.


Liebe Grüße
Eure Copine





Dienstag, 16. September 2014

Mit Rowdy durch dick und dünn! Vol. II

Mein Hund Rowdy war ja ein echter Schatz, andererseits war mir wirklich klar, dass man einem solchen Hund in dieser Größe ein wenig Erziehung angedeihen lassen musste. Dieser Entschluss kam mir, nachdem er mir dezent anzeigte, dass er nicht gerne allein gelassen werden würde. Seine zarten Hinweise reichten vom ausgeräumten Mülleimer über einen zerkleinerten Polstersessel (der mir nicht einmal gehörte..) bis hin zu einem bis zur Unkenntlichkeit zerbissenen Fünfzigmarkschein, der zwar mir gehörte, aber nicht als Hundeleckerlie dienen sollte.
Meine Schimpfe darüber nahm er jedesmal relativ geknickt hin, mit schuldbewusst gesenktem Blick und ganz langen Hängeohren, um mir 30 Sekunden später wieder seinen Quietsche-Igel zum Werfen zu bringen.
Es nutzte nichts, er musste ordentlich erzogen und zu einem guten Begleiter ausgebildet werden. Er durfte zwar morgens überwiegend frei herumlaufen, aber unsere Spaziergänge an der Leine in der Öffentlichkeit waren gelinde ausgedrückt ziemlich chaotisch. Er zog an der Leine hierhin und dorthin, kläffte bei einsetzender Dämmerung Omas mit Gehhilfen so an, dass sie panisch die Straßenseite wechselten und machte unsere Einkaufsaktionen zu wahren Survivaltrainings. Versucht doch mal, mit einem ziehenden, bellenden Halbstarken an der Leine plus 2 schweren Einkaufstüten, die jeden Moment zu reißen drohen, einen längeren Fussweg hinzulegen. Und das mindestens einmal in der Woche.
Ich wollte einen ordentlichen Hund, wie gesagt. Einen, der eventuell wegen seiner Optik die Blicke auf sich zog und nicht wegen unsäglichem Benehmen. So ging ich mit ihm zum Hundeverein und meldete uns dort an.
Und wie ich dort vor den bereits beschriebenen Personen stehe, die uns wie gesagt mit teils sehr missbilligender Mine mustern, da strolcht mein als lernwillig und unverbraucht angeprisener Vierbeiner auf dem Hundeplatz herum und legt eine dicke Hinterlassenschaft mitten auf das eingezäunte Areal. Die Augenbrauen zogen sich noch höher in die Stirn, der knackige Bursch' grinst mich unverhohlen an und der Vorstand holt schon mal die Kornflasche aus der Theke, denn ein solch schweres Vergehen kostet eine Runde Hochprozentiges an alle, die es gesehen (und gerochen) haben! 
Dann kam er wieder an meine Seite, von der er sich wirklich sehr leise davongestohlen hatte, setzte sich ab und strahlte mit seinem unnachahmlichen Labrador-wie-Fuchur-von-der-unendlichen-Geschichte-Grinsen in die Runde.
Die Hovawart-Tante war einer Ohnmacht nahe, griff gierig nach dem ihr dargebotenen Getränk und kippte es auf Ex hinunter. Damit hatte sie die nächste Runde an der Backe, denn sie hatte mein "Cheers" schließlich nicht abgewartet! Das ist fast so schlimm wie ein dicker Hundehaufen in der Mitte des Hundeplatzes und wieder kreiste die Flasche. Mir wurde schon blümerant zumute und so beseitigte ich den Anlass der ersten Runde Westfälischen Kimmenkorn geschwind', leinte meinen Sünder an und zeigte ihm leicht schwankend den Platz. Ich vertrage sowas nämlich nicht, aber hier wurde anscheinend auch ein Training in der Leistungsklasse im Kampftrinken angeboten.
Nun schaute mich mein Hund zur Abwechslung mal komisch an. Ich machte innerlich eine kleine Inventur des heutigen Nachmittags.
Wir waren theoretisch hier, um dem Hund eine gewissenhafte Erziehung angedeihen zu lassen.
Praktisch lief ich nun mit roten Ohren und um Gleichgewicht ringend hinter eben diesem Hund an der Leine her, der mich wie immer von a nach b zog. Unter den Blicken zweier jagdlich gekleideter Herren, von denen ener der Präsident und der andere recht attraktiv war und unter gewissen herablassenden Blicken einer Dame mit zwei distinguiert wirkenden Hovawarten, die sich wohl niemals zu einer solchen Aktion hinreissen lassen würden. Theoretisch.
Kichernd brachte ich meinen Hund in die ihm zugewiesene Box. War doch ein lustiger Nachmittag. Der Einstand war ganz unserer chaotischen Natur entsprechend gelaufen und nach dem Erledigen der Formalitäten war immer noch Zeit genug, den ursprünglichen Plan des Hundetrainings zu verfolgen. Und den hochnäsigen Rassehunden würden wir es auch noch zeigen. Später, wenn wir wieder nüchtern sind. ;-)

Auf dem Heimweg ging es mir schon wieder besser. Alkohol ist wirklich iieh. Total iiiehh.

Was immer ihr heute zu euch genommen habt, ich hoffe, es war bekömmlich!

Viele Hundegrüße von
Copine, die das Fuchur-Grinsen von Rowdy niemals vergessen wird.

Freitag, 12. September 2014

... zum Superschulpferd! Laetizia III

Laetizia war mittlerweile gut in Form, sie bekam sogar einen neuen, extra für sie angepassten Sattel und ein furchtbar modernes Gelkissen, um ihren empfindlichen Widerrist zu schonen. Sie brauchte wirklich eine Sonderanfertigung für diesen Problemrücken. Im Gegenzug wurden ihre Buckelanfälle wesentlich weniger und so langsam neigten sich auch die Ferien ihrem Ende zu. Ich hatte mit Laetizia jeden Tag bis auf einen Ruhetag pro Woche etwas gemacht und sie dankte es mir mit ihrer warmen Zuneigung und Vertrauen. Ihr konnte ich alle meine Teenie-Sorgen anvertrauen, sie würde nicht tratschen oder meine Fünf in Mathe verpetzen. Sie wusste, dass ich zuhause Probleme hatte und mit niemanden darüber reden würde außer mit ihr, und wenn ich mal wieder weinend an ihrem warmen, langen Hals hing, schnaubte sie mir tröstend in die Haare. Ich liebte sie wie mein eigenes Pferd. Der Reitlehrer lobte mich für meinen Einsatz sehr und versprach mir, dass ich sie dafür mindestens 2x pro Woche umsonst im Unterricht mitreiten durfte, ein Angebot, dass ich sehr dankbar annahm.
Die Reitschüler waren Laetizia gegenüber noch eher skeptisch. Eine Reiterin war von ihr abgebuckelt worden und hatte sich den Arm gebrochen, und das in den Ferien. Ich bin ehrlich, allzu böse war ich Laetizia dafür nicht, denn sie hatte vorher auf die Stute geschimpft und war grob mit ihr umgegangen. Meine Warnung hatte sie in den Wind geschossen. Klar war ich erschrocken, dass sie so bös gestürzt war, aber nachdem ich sah, dass sie Sporen verwendet hatte, war sie meiner Meinung nach auch selber schuld. Laetizia hatte wohl noch niemand mit Sporen geritten. Brauchte man auch nicht, denn die Stute war fleißig, mittlerweile auch gut in Balance und Anlehnung und butterweich zu sitzen. Ein Traumpferd (bis auf den Widerrist).
Mein Wunschzettel-Wunschpferd hatte inzwischen einen Namen: Laetizia. Aber die Einstellung meines Vaters zum eigenen Pferd kennt man ja nun schon, außerdem hätte meine jüngere Schwester dann auch eins haben müssen, und das käme ja wohl wirklich nicht in Frage. Schon mal überlegt, was das kosten soll?
So gab ich mich weiter ihrer Pflege hin und war mittlerweile genauso streng mit den Reitschülern, was das Satteln und Putzen angeht, wie der Rest der Schulpferde-Mafia. Da Laetizia aber auch Putzzzeug, Satteldecken und Gurtschoner finanziert von meinem kargen Taschengeld hatte, fand ich es auch ok, mal zu meckern, wenn jemand nicht ordentlich damit umging. Und ihren Widerrist betrachtete ich nach jeder Stunde mit Argusaugen. Sass das Gelkissen auch richtig? Wurde vernünftig nachgegurtet? Ist die Satteldecke auch nicht verrutscht?
Der Gedanke, dass ihr der Rücken wieder schmerzen würde, nur weil jemand schlampig sattelt, war mir zuwider. So begann ich auch hin und wieder die Schule zu schwänzen, um mich um Laetizia zu kümmern.
So wurde es Herbst und Winter und mittlerweile "erfreute" sich Laetizia wachsender Beliebtheit in den Reitstunden. Sie lief brav mit Anfängern und dann auch mit Ausbindern oder Dreieckszügeln und mit Fortgeschrittenen auch ohne Hilfszügel schön in Anlehnung. Ihr Pensum wuchs und wuchs also, denn es sprach sich herum, dass sie so schön zu reiten sei. So verzichtete ich immer öfter auf eine meiner beiden Pflegerreitstunden und bewegte sie dann nur am unterrichtsfreien Tag unter dem Sattel oder der Longe. Der Reitlehrer merkte das wohl und fragte eines Tages, ob ich mit ihr mal an einer Anfängerspringstunde teilnehmen wollte!
Ouha. Natürlich wollte ich. Aber gesprungen war ich nur mal über ein Cavaletti oder ein kleines Kreuz und eigentlich hatte ich ein mulmiges Gefühl dabei gehabt.
Aber für Laetizia würde ja auch nur ganz klein aufgebaut. Ok, ich sagte zu, wir beiden machen das schon.
Etwas zitterig half ich beim Aufbau, es war wirklich nicht hoch. Dann holte ich die Stute, machte mir die Bügel kurz (wie komisch war das denn!), bekam den Leichten Sitz erklärt und schon sausten wir beide über Kreuzchen. Wer hätte das gedacht! Laetizia hatte richtig Spaß am Springen!! Da das nicht unbedingt die meisten Schulpferde toll finden, war schon wieder ein neues Betätigungsfeld für meine Maus aufgetan. Mir machte es auch Freude und zum Schluss sprang ich mit meiner Laetizia tollkühn über einen Steilsprung, den ich mir vorher niemals zugetraut hätte. Wir gaben einander immer mehr Selbstvertrauen und bei der nächsten Springstunde kamen wir sogar heil über einen Oxer und ein paar In-out in einer Reihe.
Die anderen Schulpferdreiter beneideten mich nun ein wenig, bekam ich sogar die meisten Tipps vom Reitlehrer (in den wir ja alle ein wenig verknallt waren, ne) und auch viel Lob, was ja der Ausbildung von Laetitia für die Allgemeinheit diente.
So kam auch der Winter und mit ihm das traditionelle Nikolausturnier. Laetitia war mittlerweile beinahe ausgebucht und lief durchschnittlich 3 Stunden am Tag, manchmal sogar vier. Immer mal wieder war die haarlose Stelle am Widerrist ein wenig gerötet, wurde gesalbt und beschmiert. Und gehofft, dass es "hält", denn Laetizia sollte beim Nikolausturnier mit einigen Mädels an den Start gehen: Jugendreiterwettbewerb, E-Dressur und auch ein Springreiterwettbewerb.
Ich flocht ihr hübsche Zöpfchen in die Mähne und bewunderte ihren tollen Hals, den sie bekommen hatte: Lang, oben schön rund und unten ohne einen Ansatz von Unterhalsmuskulatur, genau richtig geschwungen. Ihre Hinterhand war auch sehr viel kräftiger geworden und sie war wirklich - auch mit Winterfell - schön im Lack. Sie leuchtete geradezu.
Und dann geschah es.
Am Abend vor dem Nikolausturnier schaute ich noch mal nach ihr (und ihren Zöpfchen) und dabei fiel mir auf, dass sie ihr Futter gar nicht aufgefressen hatte. Stattdessen pustete sie heftig, bekam einen leichten Schweissfilm und begann, sich in der Box zu wälzen, wieder aufstehen, wieder wälzen...
Ich holte den Reitlehrer. Der rannte zum Telefon und rief den Tierarzt: Laetizia hatte eine heftige Kolik! Mich wies er an, ihr eine Decke überzulegen und sie im Schritt in der Halle zu führen, weiteres Wälzen nach Möglichkeit verhindern!
Ich war geschockt. Meine Laetizia so krank! Sie hatte Schmerzen und stöhnte leise auf dem Weg in die Halle. Mir fiel auf, dass ihr Bauch sehr geschwollen aussah. Er wirkte wie aufgepumpt. Ich führte sie, erzählte ihr was und sie trottete mit zittrigen Beinen neben mir her. Da traf auch schon der Tierarzt ein und ich erlebte zum ersten, aber bei weitem nicht zum letzten Mal eine Kolikeruntersuchung nach allen Regeln der Kunst. Der Tierarzt lehrte mich, wie man Darmgeräusche beurteilt, wo der Blinddarm liegt und wie er "anschoppt" (Danke nochmal für den authentischen Vergleich mit der alten Klospülung. Bei der Reitwartprüfung hat er für ordentlich Lacher gesorgt.). Dann bekam die Stute 2 Spritzen, ihr Futter weggenommen und die Tränke abgestellt. Ich wich ihr nicht von der Seite. Nach der Spritze ging es ihr zusehends besser und sie wollte Futter, durfte aber nichts haben.
Ich schaute auf meine Uhr. Oh oh. 10 Uhr abends, der letzte Bus war schon weg.
Es war Dezember, ich holte mir ein paar dicke wollene Abschwitz- und Stalldecken, machte mir ein Lager in Laetizias offener Boxtür und sang ihr Weihnachtslieder vor. Der Reitlehrer erklärte mich für verrückt und brachte mir heissen Tee und ein Käsebrötchen. Es war das leckerste Käsebrötchen, was ich je hatte. ;-)
Morgens war Laetitia wieder wie neu und gierte nach Futter. Sie durfte aber erstmal nur etwas Heu haben und wieder trinken. Der Tierarzt hatte genaue Anweisungen hinterlassen. Sie sollte alle 2 Stunden eine Rippe Heu bekommen und Weizenkleie und wenn es geht, Malzbier. Ich radelte in den Ort und besorgte Malzbier und Weizenkleie. Laetizia pustete mich dankbar an für ihre besondere Mahlzeit und schlabberte mir Weizenkleieklekse auf die Jacke. ;-)
 Das Turnier war mir pupsegal und lief an mir vorbei, Hauptsache Laetizia war wieder ok. An zuhause mochte ich gar nicht denken. Da aber das Telefon schon erfunden war, wenn auch noch nicht unbedingt das Handy - oh, da fällt mir das Autosatellitentelefon vom Tierarzt ein, das war ein richtiger Koffer! - dachte ich, ich rufe mal zuhause an. Der Anschiss, den ich vom Vater daraufhin abbekam, trieb mir die Tränen in die Augen und einen Entschluss ins Denkstübchen: Ich wollte Pferdewirtin werden und am liebsten jede Nacht im Stall schlafen.

Was immer ihr heute beschlossen habt, auch wenn es noch so unvernünftig sein sollte, hört auf euren Bauch. Möglichst ohne Bauchschmerzen. ;-) Und esst ein Käsebrötchen dazu.

Pferdige Grüße von
Copine (was waren wir damals jung und verrückt)! :-)





Dienstag, 9. September 2014

Laetizia II - vom Ro(h)deopferd ....

Nass geschwitzt stand die Stute in ihrer Box. Der Reitlehrer hatte sie ausprobiert und war nur mit Mühe oben geblieben! Zuvor hatte sie ihr Debüt als Schulpferd gegeben, aber leider gab es von diesem Versuch nicht viel Gutes zu berichten. Zwar trottete sie zunächst artig mit den anderen Pferden im Schritt durch die Bahn, schaute sich dies und das an und ihre Reiterin, eine Fortgeschrittene, die schon lange ritt, klopfte sie beruhigend am Hals. Das schien sie ja noch ganz ok zu finden. Im Trab wurde sie dann schon unruhiger und als es dann an die lösende Galopparbeit ging, war der Käse dann gegessen. Sie bockte wie ein Rodeopferd! Das einzige, was man hier von ihr lernen konnte, war, länger als 10 Sekunden oben zu bleiben, bevor man dann unsanft aus dem Sattel gehebelt wurde.
Alle waren so enttäuscht von Laetizia. Man hoffte, ein gutes Schulpferd zu bekommen und dann entpuppte sich die so sanft wirkende Stute in der Bahn als Alptraum auf vier Hufen. :-(
Nun stand sie wieder in der Box und niemand wollte sie reiten. Ich versuchte sie mit ein paar Möhren und Putzeinheiten wieder aufzumuntern. Der Tierarzt kam und checkte sie noch durch: Sie war nicht sechs Jahre alt wie angegeben, sondern erst vier und hatte wahrscheinlich noch nicht allzuviel Erfahrung mit Menschen auf ihrem Rücken. Ansonsten war sie aber zum Glück gesund.
Probleme machte vor allem ihr wahnsinnig steiler Widerrist am unbemuskelten Rücken! Hier gab es nach den 2 Reitversuchen schon eine wunde Stelle, die ihre Situation nicht unbedingt verbesserte. Der Tierarzt gab mir eine Zinkpaste dafür, wies aber darauf hin, dass sie unbedingt einen passenden Sattel haben müsste. Das alte Kloster-Schönthal-Modell (Wiedersehen macht Freude!), welches für sie vorgesehen war, war am Widerrist einfach zu eng gebaut und verursachte ihr wohl Schmerzen.
Ich fragte den Reitlehrer vorsichtig, wie man ihr helfen kann. Er meinte nur, sie müsste völlig neu angeritten werden, leider habe er dafür zuwenig Zeit. Zunächst solle man sie erstmal longieren, damit sie regelmäßig Bewegung erhält und nicht aus Übermut buckelt.
Ich fasste mir ein Herz. Es waren bald Sommerferien und ich würde jeden Tag kommen können!  Nicht wie sonst von lästigen Schularbeiten genervt erst am späten Nachmittag nach ihr schauen und sie versorgen, nein, ich würde morgens schon zum Verein radeln und mich  um sie kümmern.
Den Reitlehrer überredete ich wortreich, mich in die Geheimnisse des Longierens einzuweihen und zum Dank würde ich für ihn die Berittpferde satteln, damit er Zeit für mich und Laetizia hat. Er fand den Deal natürlich prima und so geschah es. Ich suchte den bequemsten Longiergurt für meinen Liebling heraus und der Reitlehrer zeigte mir sehr ausführlich, wie man fachgerecht mit Longe und Peitsche hantiert und wie man dem Pferd so etwas beibringen kann.
Zum Glück war Laetizia ja schon eingefahren und die Longe war ihr nicht ganz so fremd wie die Reiterei. Sie war sehr gehorsam und nach ein paar Mal entspannte sie sich richtig gut im Trab und Galopp und schnaubte zufrieden. Solange ich mit ihr arbeitete, war sie von den Schulstunden befreit, der Vorstand begrüßte sogar mein Engagement sehr, die Stute zusammen mit dem Reitlehrer auszubilden! :-)
Ich sorgte aber auch dafür, dass sie oft frei laufen durfte und auch mal ein Stündchen auf die Weide kam. Damals war die Situation eher so, dass die Schulpferde selten auf die Wiese durften, denn es war nicht genug Wiese für alle Pferde da und die Privatpferde hatten hier Privilegien. Da sich Laetizia aber - oh, welch Zufall! ;-) - mit dem Pferd vom 1. Vorsitzenden, Apollo, irgendwie angefreundet hatte, durfte sie als seine Weidegenossin mit ihm auf die Koppel.
Natürlich hatte sie noch Rückfälle in ihr wildes Verhalten, sie war ja noch jung! Aber ich schaffte es, ihr Vertrauen zu gewinnen, so dass ich sie dann auch oft im Unterricht mitreiten durfte (wir beide quasi als Lehrlinge) und sie fand sich immer besser in ihre Rolle als Reitpferd. Die Longenkommandos setzte ich hier erfolgreich ein und bald kapierte sie auch, dass man ruhig galoppieren konnte, ohne auszurasten.
Das dicke Sattel-Pad, dass ich einem Springreiter gegen dreimal Pferd einflechten abgeluchst hatte, stieß aber bald an seine Grenzen und schon hatte sie wieder einen Buckelanfall mit anschließender wunder Stelle am Widerrist. Scheiße!
Eine Pause gerade in dieser tollen Phase der Ausbildung, wo sie beinahe zuverlässig vorwärts-abwärts traben und galoppieren konnte und hier ihre Balance fand, war ausgesprochen suboptimal.
Der Reitlehrer hatte dann eine Idee: Ich sollte sie mit einem Voltigiergurt reiten! Der lag weiter hinten und das dicke Polster hatte genau an der wunden Stelle eine Aussparung. Ich würde zwar auf Steigbügel verzichten müssen, hatte dafür aber zwei Haltegriffe.
Ich hatte zwar erst ein wenig Muffe, aber manchmal muss man eben über seinen Schatten springen! Also versuchte ich es. Mit viel Herzklopfen - ich wusste ja, wie sie loslegen kann! - ließ ich mich auf "mein" Ross werfen und bekam hier ein völlig neues Reitgefühl! Nicht zuletzt, weil der Reitlehrer auch mit dieser Montur darauf bestand, Laetizia im Leichttraben zu lösen.
Das war nicht leicht, aber auch ich wollte ja lernen und so tat ich, wie mir befohlen. OMG, taten mir anschließend die Beine weh! Wie ein blutiger Anfänger schlich ich zu meinem Fahrrad und fuhr nach Hause.
Aber ich war auch stolz wie Oskar. Das Galoppieren hatte 1A geklappt und sie war schön rund geblieben und vermittelte mir ein tolles Gefühl. Der Reitlehrer hatte am Ende der Stunde sogar ein kleines Lob für mich übrig und wer den Unterricht der 80er Jahre kennt, der weiss, dass das eine Riesenauszeichnung war! Überhaupt, der Unterricht. Das Prinzip hiess "hart, aber herzlich" und manchmal auch nur "hart". Denn der Reitlehrer hatte immer recht und es gab damals noch kein Facebook oder Internetforen, wo man einen solchen Tyrannen an irgendeinen Onlinepranger stellen konnte. Die Parole "Friss oder stirb" kombiniert mit einem gewissen Kasernenhofton schulte allerdings das Gehör des Schülers, die Ausrüstung war stets komplett, denn wer in stylischen Turnschuhen und ohne Helm, womöglich noch mit wehendem Haar, reiten wollte, der blieb schön unten auf dem Boden und wurde nach Hause geschickt. Wer seine Gerte vergessen hatte, der ritt eben ohne und merkte dann am eigenen Leib, wie anstrengend auch das leichtrittigste Schulpferd werden kann, wenn es merkt, dass der Schüler "ohne alles " auf ihm sitzt. Und das merken sie schon sehr früh, nämlich bereits beim Aufsitzen.
Die so Gescholtenen vergaßen NIE WIEDER ihre Klamotten. Und standen zur nächsten Reitstunde wieder parat, mit Haargummi, Helm und blitzblank geputzten Reitstiefeln. ;-)

Oh, und: Was immer ihr heute an guten Tipps bekommen habt, probiert es mal aus, auch wenn es unbequem ist. Es könnte sich wirklich lohnen.

Pferdige Grüße von
Copine (mit Laetizia im Herzen)

Montag, 8. September 2014

Die Weltreiterspiele 2014

...sind vorbei. Endlich? Oder Gottseidank? Oder schade?
Für die deutschen Teilnehmer ist vieles gut gelaufen, Vieles, aber nicht alles. Was die Fachpresse über die Zustände hinter den Kulissen bloggte und berichtete, passt eher in die Sparte "Worst EVER Games" oder "Dieses WEG wird kein leichtes sein" bis hin zu "Will Einfach Weg". Der Wortspiele gibt es genügend (mein Dank hier an die St-Georg-Redaktion, dessen Blog das ganze Drama anschaulich dokumentiert hat: http://www.st-georg.de/blog/index.php  Prädikat: Lesenswert!).
Was bleibt übrig? Schon die grandiosen Leistungen unserer Dressurdamen zum Auftakt, die mit Mannschaftsgold belohnt wurden! Tolle Bilder von lockeren, rittigen Pferden mit gut sitzenden und fein einwirkenden Reiterinnen (hier beziehe ich ausdrücklich die Einzelgoldmedaillengewinnerin Charlotte Dujardin (GBR) und Valegro mit ein!) macht doch Hoffnung auf ein Überdenken der Ausbildungswege der Dressurpferde, auch wenn natürlich überall nur mit Wasser gekocht wird. Wo war eigentlich Totilas und Matthias Alexander Rath? Achja, der Wunderhengst hatte sich nach kurzer Erfolgswelle ja wieder ein Wehwehchen zugezogen. Besonders vermisst wurde er im Dressurviereck aber irgendwie nicht. Bezeichnend. Über die gleiche Mannschafts-Medaille durfte sich  die deutsche Vielseitigkeitsequipe freuen! Im tiefen Boden von Haras du Pin leisteten die Pferde Übermenschliches, wenn man sowas von einem Pferd überhaupt sagen kann. In diesem Fall also Überpferdliches, etwas, was die Sportkameraden von Michael Jung, Ingrid Klimke, Sandra Auffahrt und Co. hoffentlich nicht so bald wieder bringen müssen. Für Sandra und ihren Wolle gab es hier auch die langersehnte Einzelgoldmedaille, wohlverdient wie nie, würde ich sagen. :-) Hoffentlich hat sie lange Freude daran und für Wolle jeden Tag bitte einen extragroßen Korb Möhren.
Tja, die Organisation. Besonders schwächelte sie wohl in einer Nischensportart namens Distanzreiten, dessen Name selbsterklärend ist. Wie sonst kann es zu solch furchtbaren Unfällen kommen, in dem ein Pferd vom tiefen Matsch über eine nicht gesicherte Brücke, dann steil bergab wieder in den Matsch rutschenderweise mit dem Kopf gegen einen Baum rennt? Das Pferd kann dazu kein Statement mehr abgeben, es ist tot. Die Reiterin soll nach einigen Tagen aus dem Koma erwacht sein, die Veranstalter verhängten hier eine Nachrichtensperre. Nachrichtensperre? Was soll das denn? So werden natürlich auch pferdesportfeindliche Gerüchte angeheizt, gefüttert, quasi gemästet, denn es bleibt der Phantasie eines jeden einzelnen überlassen, was mit der Reiterin geschehen ist, wie es dazu kommen konnte, ob sie etwas dazu sagen will oder überhaupt kann. Es ist schrecklich, aber es wäre eventuell vermeidbar gewesen, hätten die Verantwortlichen früher reagiert und diese Klippen entschärft.
Immerhin im Cross Country wurden 2 als tückisch angesehene Sprünge herausgenommen worden, wobei ein gewisser Fisch mit einer stylischen Strauchbürste als schmaler Einsprung ins Wasser diesen Part nun übernommen zu haben schien. Mich sollte es nicht wundern, wenn einige Reiter von nun an eine erworbene Abneigung gegen Fischgerichte entwickelt haben - oder erst recht Appetit darauf. ;-)
Bevor ich zu den Springwettbewerben komme, möchte ich mich an dieser Stelle einmal für das reichhaltige Angebot im TV bedanken. DANKE FÜR NIX! Hätte ein einfach zu bedienender  Internetstream aus Dubai nicht Bilder aus Caen live übertragen, wäre der Frust noch tiefer gewesen beim geneigten Reitsportzuschauer. Danken wir also "Scheich-TV" für die prima Übertragung des gesamten Cross-Country-Events und dem- oder derjenigen, der/die den Link hierzu über einschlägige Internetforen verbreitet hat. Vielen VS-Freunden hat das den Samstag gerettet. Danke!
So, und dann das Debakel der deutschen Springreiter in der 2. Woche. Debakel? Warum?
Tja, der undankbare vierte Platz in der Nationenwertung hat nicht gerade für Jubelstürme gesorgt. Shit happens.
Aber es gibt ja noch eine Einzelwertung. Hier kann man noch ein paar Kastanien aus dem Feuer holen, wenn man denn will.
Aber: Ein gewisser Herr C.A. wollte wohl nicht, dabei hätte er sogar noch Chancen auf das Top Four-Finale gehabt!
Herr L.B. wäre noch in der Top 30 gewesen, verzichtete aber auf eine weitere Teilnahme. Ok, das verstehe ich, wenn es keine Chance auf eine gute Einzelplazierung mehr gibt. Tapfer weiter machten Daniel Deußer und Marcus Ehning, aber der übliche Pechfehler machte die Hoffnung auf das Finale zunichte. Und das tut mir wirklich leid, denn man hat es wenigstens versucht!
Nunja, also keine Medaille für die Springreiter, Der Planet wird sich trotzdem weiterdrehen. Aber es bleibt ein fader Nachgeschmack.
Oh, wäre es hier z.B. um Fussball gegangen: Man stelle sich vor, der Bundestrainer und einige Spieler hätten bei der WM in der Vorrunde zurückgezogen!!!
Oder einige Spieler hätten gesagt: "ach nee, keine Chance mehr auf den Titel. Ich fahr' heim" oder so.
Die hätten hier nicht mehr einreisen müssen. Der Internetshitstorm hätte alle Dimensionen gesprengt, man hätte Personenschutz gebraucht etc. Der Lynchmob ist gnadenlos.
Da haben wir es ja hier nur mit einem Shitstörmchen zu tun. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass jeder selber wissen muss, was er tut. Ich wäre aber auch für einen Kader, wo jeder, der die Leistung bringt, mal eine Chance bekommt, um zu beweisen, dass er oder sie genügend Biss hat. Leider haben sich ein oder zwei Reiter mit ihrer Aktion ent-Idolisiert oder auf Bildzeitungsniveau: Sie haben den Schwanz eingezogen.
Tja, das sind nur ein paar Gedanken von mir zu den Wörstequestriangähms. Ich für meinen Teil bin froh, dass es nun vorbei ist. Ich bin traurig über den Tod von 2 Pferden, das Zweite ein VS-Pferd vom Briten Harry Meade, Wild Lone, der nach dem Gelände mutmasslich einem Aorten-Abriss erlag. :-(
Vielleicht lernt auch der deutsche Dachverband nun etwas in Sachen Nachwuchsförderung dazu. Lasst die guten Pferde nicht einfach ausser Landes ziehen! Die Niederländer haben da das bessere System. Denn sonst hat der Ausverkauf mehr Konsequenzen als ein paar verpasste Medaillen für Springreiter.

Was immer ihr heute Schönes gewonnen habt: Freut euch wie Bolle darüber. :-)

Liebe Grüße von
Copine, deren viereckige Augen vom Streamgucken langsam wieder Normalform annehmen. ;-)

Samstag, 6. September 2014

Schulpferde: Laetizia Vol. I!

Diese Geschichte geht über mehrere Jahre, deshalb auch hier wieder ein Fortsetzungsroman, der wirklich so geschehen ist. ;-)
Laetizia war Copines Vorgängerin in Sachen "Herzenspferd". Sie war - ratet mal - eine braune Stute und ihr Name bedeutet "Die Freude, die Fröhlichkeit".

Zu jener Zeit, in der ich Laetitia betreuen durfte, war ich ein Teenager, zwischenzeitlich umgezogen und mein weiterer Reitunterricht fand nun in einem großen "Laden" statt, mit 8 hauptberuflichen großen Schulpferden. Da diese auch sehr gut ausgelastet waren, war der Verein eigentlich ständig auf der Suche nach geeigneten Pferden, um die Truppe zu verstärken und ältere Pferde zu entlasten. Die Pflege der Schulpferde zu übernehmen war zu jener Zeit eine besondere Ehre, und viele ReitschülerInnen prügelten sich geradezu darum, einen Tag in der Pflegertabelle für ihr Lieblingspferd zu ergattern.
Die Schulpferdepflegerinnen überwachten nach Möglichkeit auch jeden Handgriff, den der Reitschüler an "ihrem" Pferd zur Vorbereitung für den Unterricht vornahmen. Da wurde die Satteldecke nochmal zurechtgezupft, die natürlich frisch gewaschen und der neuesten Mode entsprechend vom Taschengeld der Pflegerin angeschafft wurde, Polsterfellchen und Gurtschoner, schicke Stirnbänder ebenso. Die vereinseigenen Sachen waren zwar genügend vorhanden, aber natürlich nicht schön genug und jede legte Wert darauf, dass "ihr" Pferd das Schickste und Bestgepflegteste in der Bahn war. Auch die Boxen waren immer sauber gemistet und die Späne-Einstreu mit einem Besen glattgezogen, so dass sie wie ein Teppich in der Box lag. Der Verein dankte so viel Einsatz zum Wohle der Schulpferde, indem die Pflegerinnen an sog. "Stehtagen" die Pferde reiten oder longieren durften.
Ich ritt nun schon ein halbes Jahr in dem Verein regelmäßig Schulpferde und so ein Pflegepferd war mein Traum. Denn diejenigen, die sich bei den Schulis "bewährt" hatten, bekamen oft Angebote von den Privatpferdebesitzern, sich um ihr Tier zu kümmern. Und dann war man in der Hierarchie ein ganzes Stück aufgestiegen. Ein Privatpferd zum Reiten und Liebhaben, was wollte man mehr!
Ich wartete also auf die Gelegenheit, in die Schulpferdepflege einzusteigen. Aber bisher war "nichts frei", wie gesagt, es war ein beliebter Job und die Schulpferdepflegerinnen bildeten einen Club  im Club, man verstand sich allgemein sehr gut. Vereinsintern nannte man sie auch die "Schulpferdemafia", die sich aber immer für ihre Lieblinge einsetzten, um Dinge wie Weidegang, neue Ausrüstungsgegenstände (denn nicht alles konnte man selber anschaffen) und "Humane Arbeitsbedingungen" zum Beispiel. So ein Schulpferd hat ja, ich erwähnte es schon, einen der härtesten Jobs in der Branche.
Als Zugereister hat man es ja immer schwer, aber ich ließ bei keiner Gelegenheit unerwähnt, dass ich auch gerne Schulpferdepflegerin wäre. So kam es, dass eines Tages ein neues Pferd eine Box im Schulstall bezog, eine eher schüchterne braune Stute mit großen Augen und langen Beinen. Ihr Name war Laetitia und sie kam aus Polen.
Begeistert stürzte Laetitia sich auf das schon dargebotene Heu und fraß es bis auf den letzten Krümel auf. Sie hatte wohl selten so eine richtige Portion bekommen, denn sie war sehr knochig. Man konnte die Rippen deutlich erkennen und ihre Hüftknochen standen so derbe heraus, dass ein geworfener Hut daran hängen geblieben wäre.
Ihr Fell war stumpf, die Hufe zu lang und ihr Schweiflein war dünn und zerzaust. Von einer Mähne konnte man auch nicht wirklich reden, sie war bis auf dem Kamm abgescheuert und drei tapfere Schopfhaare haben den Kampf gegen den Juckreiz bisher überlebt.
Der Reitlehrer kam in den Stall, um Laetizia zu begutachten. Sein Blick wurde düster beim Anblick der Stute. "Meine Güte." sagte er und zu mir: "Willst du sie mal putzen?"
Ich wollte. Holte mir das an Putzzeug, was die PflegerInnen als zu oll für ihre Pferde angesehen und aussortiert hatten und putzte und wienerte Laetizia nach allen Regeln der Kunst. Diese schaute mich nur erstaunt aus ihren großen braunen Augen an, hielt aber still. Sie schien nicht besonders viel Zuwendung gewohnt zu sein. Laut den Papieren war sie sechs Jahre alt und als "geritten und gefahren" verkauft worden.
Als ich nach gut einer Stunde fertig mit ihrer Säuberung war, sah sie schon ein wenig besser aus, wenn man mal die rissigen, langen Hufe und den Zustand der Mähne außer Acht lässt. Und ihre körperliche Verfassung. Ich hatte Mitleid mit der Stute. Nicht auszudenken, dass sie drei Stunden täglich mit Reitschülern laufen könnte.
Der Reitlehrer schaute auch kritisch, aber er grinste, als er meine Staubwolke und die losen Haare vom Putzen am Boden sah.
"Na, da hat sich aber einer Mühe gegeben. Willst du Laetizia als Pflegepferd haben?"
Auf so eine Frage hatte ich lange gewartet. Ich bekam rote Bäckchen und antwortete: "Ja klar!"
"Drei oder viemal in der Woche?"
"Jeden Tag. Ich kümmere mich jeden Tag um Laetitia." brachte ich noch hervor. Dann knuddelte ich die Braune, die mich einmal mehr erstaunt anblickte und zählte in Gedanken wieder einmal die Stunden, bis ich am nächsten Tag wieder in den Stall kommen würde. Zu meinem Pflegepferd Laetizia. Mit einer Tasche voller neuem Putzzeug für sie und einer großen Tüte Möhren.

Um was auch immer ihr euch heute besonders kümmert, tut es mit Hingabe. Es lohnt sich. ;-)

Pferdige Grüße von
Copine


Mittwoch, 3. September 2014

Das Leben ist kein Ponyhof II

Hi, ich bin's nochmal, euer Mäxchen!

Oh, wenn ihr mich nur sehen könntet, ihr würdet vor Mitleid zerfließen. Grau und trübe sind meine Tage. Als Schattengewächs meines Klienten (habe meine Berufsbezeichnung derweil geändert in "Bewährungshelfer für rückfallgefährdete Equiden^^) friste ich weiterhin ein bedauernswertes Dasein. Immerhin wurden die Haftbedingungen gerade etwas entschärft, aber der Große hat ja nix besseres zu tun, als sich eine wenig dekorative Macke über dem linken Auge zuzuziehen. Hoffentlich hat das nicht wieder eine Verschärfung in Form von Stallarrest zur Folge. Ich glaube, ich schreibe mal eine E-mail an P:ETA oder sowas. Amnesty antwortet ja leider nicht.
Der Sommer geht dahin und mit ihm die leckersten Weidegräser. Aber die kann ich mir ja sowieso nur vom teilweise gepflasterten Außenbereich aus angucken. Drei freche Rehe haben sich zu uns gesellt und zeigen uns, was Freiheit ist: Naschen, mampfen und dann einfach über die Wiese hüpfen und dann ab in den Wald. Wie ich sie beneide! Ich bin doch nur der Freitag vom Robinson Crusoe, der kleinste aller Hobbits mit den behaartesten Füßen und der Patachon vom Pat. Der Doof vom Dick allerdings nicht, denn in meinem kleinen Köpfchen rotieren mehr Synapsen als ihr glauben würdet. Eines Tages komme ich über euch, und dann Gnade euch der Shettygott!
Nun, dem Klienten geht es ja jetzt besser, er darf wieder ein bisschen traben und wenn er bei einer Viertelstunde angekommen ist, sollen die Tore zur Koppel wieder für uns geöffnet werden. Soll sich mal beeilen, der Tollpatsch, bevor der Birnenbaum mit seinen leckeren Früchten abgeerntet und für uns nur der faulende Rest übrigbleibt! Mein genialer Plan mit dem Gegen-den-Stamm-treten-und-dann-regnet-es-leckeres-Obst konnte dieses Jahr noch nicht in die Tat umgesetzt werden. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre ein Shire-Horse, dann würde ich die Zäune einfach überklettern und das Paradies wäre mein ganz allein.
Ok, man wird ja wohl mal träumen dürfen. Aber wäre ich ein Shire, hätte der Klient nichts mehr zu lachen. Dann wäre ER der Zwerg und müsste den ganzen Tag machen, was ICH will. Und das wäre kein Möhrenknabbern, das sage ich euch. Er würde meine Hufe lecken und mir den Bauch kraulen, denn an meinen Widerrist und Mähnenkamm käme er nicht mehr heran. Und der würde mich nochmal treten? Dann würde er sich wünschen, nie geboren worden zu sein, dieser Sohn einer arabischen Zirkustusse mit Federbusch aufm Kopp. Also sowas!
Er denkt ja immer, er wäre was besonderes, weil er so ein interessanter Typ ist mit Wüstenblut und er stamme von den 12 Stuten des Propheten ab.
Oh, kennt ihr eigentlich diese Sage? Ich kann sie auswendig, er prahlt ja dauernd damit. Also: Der Prophet Mohammed hatte 100 Stuten und führte sie in die Wüste, aber dort gab es wenig bis kein Futter und auch nur spärlich Wasser, wie das in Wüsten so üblich ist. Dort blieb er 40 Tage und liess die Stuten dürsten und hungern (artgerechte Haltung ist das aber nicht! Womöglich gab es noch nicht mal einen Paddock!), dann führte er sie zu einer fetten Oase und ließ sie laufen.
Kurz bevor die ersten Weiber an der Wasserstelle ankamen, pfiff er sie zurück (Was ist das eigentlich für eine Art und Weise? Gab wohl damals noch kein Clickertraining! ). Und von den 100 Stuten machten 12 wieder kehrt und liefen zurück zu ihrem Herrn (da kann man mal sehen, wie dämlich manche Weiber sind. Ich hätte nach so einer Low-Water-Diet natürlich erstmal ein Vollbad genommen! Aber das ist wohl der Grund, warum Shetties im Koran keine Erwähnung finden. Schade eigentlich ^^).
Nun, mein Klient behauptet jedenfalls nun steif und fest, von einer dieser 12 sehr robust gehaltenen Stuten abzustammen. Da muss ich aber lachen. Moment: vielleicht ist das ja der Grund, warum er immer in den Wasserbottich äppelt: Er will diese Dirty-Water-Challenge nachspielen! Aber schon nach einer halben Stunde (!!!!) bekommt er dann so einen Durst, dass er den Bottich durch die Gegend pfeffert und mit den Hufen gegen die Wand ballert, als ginge es ihm ans Leben. Schrieb ich schon, dass er ein fürchterliches Weichei ist? Araberblut! HAHAHA!
So, bevor ich wieder etwas wirklich Gemeines schreibe und er mich dann wieder nicht an die Abendration Heu lässt, sage ich lieber mal Tschüss für heute.
Ich halte euch auf dem laufenden oder wie meine britischen Ponykollegen sagen würden: To be continued and have a nice day.

Ach, und: Wann immer euch heute ein Shetland-Pony über den Weg läuft, bedauert es entsprechend. Stellvertretend für mich, quasi.
Es grüßt euch euer
Mäxchen!

Montag, 1. September 2014

Schulpferde - die Reitlehrer auf vier Hufen oder Copine's allerallererste Reitstunde!

Heute starte ich eine Serie von Geschichten über Pferde, die selten in den Schlagzeilen auftauchen oder mit Schleifen überschüttet werden, manchmal sogar ein Stiefmütterchendasein in den Ställen haben, obwohl es wirklich beachtenswerte Geschöpfe sind. Ich schreibe mal etwas über Schulpferde, mit denen ich zu tun hatte und die in meinem Herzen unsterblich geworden sind. Macht euch auf etwas gefasst, denn das waren eine ganze Menge! :-)
 Ich bin seit jeher von dieser hippologischen "Berufssparte" angetan, sind es doch diejenigen, die ihre Rücken und Mäulchen für unsere ersten Reitversuche hinhalten. Und sie dürfen niemals vergessen werden, denn sie sind unverzichtbar für die Reitausbildung! Deswegen müssen sie gehegt und gepflegt werden und ich habe meinen Teil auf jeden Fall dazu beigetragen. Wer weiss, vielleicht ergibt es sich ja nochmal, dass ich mich wieder um jene kümmern darf, die so ein bisschen ein Schattendasein in den Vereinen und Reitschulen fristen.
Eigentlich sind sie ja die Aushängeschilder der Ausbildungsstätten, denn über den Zustand der Schulpferde und ihrer Ausrüstung kann man viel über die jeweilige Reitschule rückschließen. Einem Stall, der seine Lehrpferde nicht wertschätzt und sie nicht ausreichend hegt und pflegt (Stichwort artgerechte Haltung!) würde ich als Anfänger sofort den Rücken kehren. Als "ich" würde ich aber nach Möglichkeit versuchen, ihre Lage zu verbessern im Rahmen meiner Möglichkeiten. ;-)
Ich beginne mal mit meinen eigenen Anfängen. Wie schon ansatzweise berichtet, war es ein echt harter Kampf für mich, überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, Stallluft zu schnuppern. Als ich 12 Jahre alt war und auf meinen Wunschzettel für Weihnachten  konsequent an alleroberster Stelle ein Pferd prangte (und ich schon etliche Exemplare aus Plüsch und Plastik mein eigen nannte..) schenkte mir meine allerliebste Oma ENDLICH eine Zehnerkarte für eine Reitschule. Oh, wie glücklich war ich da! Es gab zum Geburtstag Gummireitstiefel und einen Helm und ich hätte beides am liebsten nie wieder ausgezogen. Mit einer Schulfreundin, die schon eine Weile dort ritt, fuhr ich dann zu der kleinen Reitschule in einem echten Kuhdorf mitten im Sauerland.
Dort angekommen, konnte ich es gar nicht erwarten, endlich mein Schulpferd gezeigt zu bekommen. Nur am Rande, ich hatte noch keinen Hufkratzer und noch keinen Striegel und noch kein Sattelzeug in der Hand gehabt. Ich hatte lediglich ein paar Runden Ponyreiten in Freizeitparks oder illegal auf einer Ponyweide (darüber schweige ich aber lieber..) als Reiterfahrung aufzuweisen. Sonst nix! Aber alles regelrecht angefallen, was wiehernd auf einer Weide herumstand. Ich war nicht da wegzubekommen.
Mein erstes Schulpferd, was ich kennenlernte, war ein kleiner brauner Wallach namens Donald! Tja, klein ist ja relativ, ne. Ich war selber ziemlich klein und da wirkt so ein Großpferd per se erstmal wie eine Fabelgestalt. Ponys gab es in dem Betrieb nicht. Aber mir war das egal: Ich würde reiten lernen dürfen!
Donald erwies sich als ein wenig unfreundlich, er schnappte nach dem Pfleger, der den Sattelgurt schloss und ließ sich hier auch nicht von meinen mitgebrachten Leckerlies aus dem Reitsportladen trösten, die ich zu den Stiefeln und der Kappe dazubekam. Er nahm es, um gleich danach wieder nach meinem Helfer zu schnappen. Ich glaube, er war nicht besonders begeistert von meiner Idee, reiten zu lernen, und das nun ausgerechnet auf ihm.
Ich merkte, wie er mich musterte.
Ich wiederum hoffte, er würde nett zu mir sein. Ich war so voller Vorfreude, dass ich um ihn herumhüpfte wie ein Eichhörnchen auf Speed. Heute weiss ich, dass das ein Fehler war. ;-)
Nun wurde Donald in die Bahn geführt und ich tanzte nebenher (ich wusste schon jetzt, dass ich morgen DAS Thema in meiner Schulklasse sein würde. Meine Klassenkameradin zeigte mir nun schon zum dritten Mal einen Vogel).
Es ging ans Aufsitzen. Die Reitlehrerin richtete die Longe und die Peitsche und schnallte die Zügel aus dem Trensenzaum aus. Dafür hatte ich ein sogenanntes "Maria-Hilf-Riemchen" am Sattel, zum Festhalten, bekommen.
Donald versuchte nun, durch Herumzappeln der Longenstunde zu entgehen. Der Pfleger forderte mich  auf, mein linkes Bein anzuwinkeln, bevor Donald noch unruhiger wurde (er war beileibe nicht das absolut optimale Longenpferd). Ich gehorchte und schon packte er mein Schienbein und es ging aufwärts!
Leider ging es auch direkt danach wieder abwärts. Er hatte mich über das Pferd geworfen. -.- Bisschen zu gut gefrühstückt, was?
Prustend fand ich mich auf der rechten Seite von Donald sitzend wieder. Meine Klassenkameradin war vor Lachen bereits puterrot! Und ich wusste nun schon, bevor ich auch nur einen Schritt auf Donalds Rücken geritten war, wie der Hallenboden schmeckt.
Donald selbst schaute erstaunt zu mir runter: "Das ging aber schnell! Ich habe doch noch gar nicht angefangen!"
Trotz dieser "Minischande" musste ich grinsen und sprang schnell wieder auf. Meine Reitlehrerin sagte trocken: " Wer noch nicht gefallen ist, ist auch noch nie geritten." Ok, geritten war ich ja nun auch noch nicht wirklich. Aber ich wusste schon mal, wie sich das mit dem Fallen anfühlt.
Beim 2. Versuch mit etwas weniger Schwung sass ich dann stolz wie Oskar im Sattel von Donald, der übrigens sehr gepflegt und in Ordnung war, so wie auch Donald selbst. Viele Reitschüler sassen wohl Anfang der 80er in diesen klassischen VS-Sätteln von Kloster Schönthal, ich habe sie in vielen Reitschulen vorgefunden.
Dann ging es erstmal schön langsam los im Schritt, diese schaukelnde weiche Bewegung genoss ich sehr und Donald hatte wohl eingesehen, dass es gar nicht so schlimm war, mich im Sattel zu haben, denn ich streichelte und klopfte ihn in einer Tour! Er spitzte sogar die Ohren und war für mich im Moment sowieso das schönste und tollste Pferd der ganzen Welt.
Die Worte der Reitlehrerin rauschten leider ein wenig an mir vorbei, erinnere ich mich. Ich war so in Donald verknallt, dass ich nur am Rande mitbekam, dass ich leichttraben lernen sollte. Aufstehen-setzen im Schritt erstmal, das bekam ich hin. Als Donald aber dann in den 2. Gang schaltete und lostrabte wie - so kam es mir vor - die Feuerwehr - war ich froh über mein Mariahilfsriemchen, das ich auch sofort fand. Sonst hätte ich schon wieder eine Bodenanalyse machen müssen und das wäre ja wirklich  ZU peinlich.
Ich bin übrigens äußerst froh, dass es damals noch keine Handys und Selfies und Facebooks gab. :-)
Das mit dem Leichttraben erfühlte ich gegen Ende der Stunde einigermaßen und dann musste ich leider schon wieder absitzen. Dies klappte deutlich besser als das Aufsitzen und ich bedankte mich überschwänglich bei meinem Donald mit einer wahren Flut von Leckerlies. Er nahm sie, sabberte mich damit voll und von da an zählte ich die Minuten bis zur nächsten Reitstunde, bis ich endlich wieder auf  ihm sitzen durfte.

Später erfuhr ich, dass Donald ein eher unbeliebtes Schulpferd war, weil er eben beim Satteln schnappte und biss und beim Reiten einen "harten Trab" hatte. Das alles war mir aber egal, denn Donald hatte einen neuen Fan und zwar mich. Und das für eine ganze Weile. Und er war auch in den folgenden Longenstunden gut zu mir. Im Gegenzug putzte ich ihn, als ich endlich in die Geheimnisse des Striegelns eingeweiht wurde, dass die Reitlehrerin staunte und fragte, ob er auf einer Auktion verkauft werden sollte. Was ich wiederum mit einem entsetzten "Nee, doch nicht VERKAUFEN!" entgegnete. "Er soll sich nur wohlfühlen."

Wieder zuhause von der 1. Stunde, musste ich übrigens den blauen Fleck an meinem Hintern gut verbergen, sonst wären die Reitstunden direkt wieder gestrichen worden wegen "zu gefährlich (und zu teuer sowieso)." Den Spott der Klassenkameraden (Sabine konnte natürlich den Mund nicht halten) ertrug ich tapfer. Ich wollte nur weiter reiten lernen, alles andere war mir egal.

Wann immer euch ein Schulpferd begegnet, seid nett zu ihm und streichelt ihm anerkennend über seine weichen Nüstern. Es hat einen wirklich harten Job.

Pferdige Grüße von
Copine (heute voller Nostalgie)


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